von Tanja Damm »
- ICW Wundexpertin
- Examinierte Gesundheits -& Krankenpflegerin
- Stoma-Expertin
von Tanja Damm »
Im engeren Sinn geht es bei dem Begriff Wundversorgung um die Wundauflagen bzw. Wundverbände, die eine Heilung beschleunigen sollen. Im weiteren Sinn umfasst der Begriff aber die gesamte Therapie chronischer Wunden. Damit eine Heilung gelingen kann, müssen Ärzte und Therapeuten folgende elementare Grundsätze beachten:
Ob akut oder chronisch: Der Heilungsprozess einer Wunde verläuft grundsätzlich in drei Phasen, die zeitlich ineinander übergehen. Eine akute Wunde heilt im Normalfall recht schnell. Bei chronischen Wunden kommt es dagegen immer wieder zu Störungen in der Wundheilung. Das liegt zum einen daran, dass bestimmte Grunderkrankungen die Heilung behindern. Zum anderen ist die Oberfläche bei chronischen Wunden viel größer. Die Heilung zieht sich dann über Wochen und Monate hin. Manche chronischen Wunden heilen auch gar nicht mehr.
Die folgenden Wundphasen werden unterschieden:
1) Reinigungs- oder Entzündungsphase (Exsudation)
Schon kurz nach einer Verletzung setzt der Körper die Blutgerinnung in Gang. Die verletzten Blutgefäße ziehen sich zusammen, um die Blutung zu stoppen. Geschädigte Gefäßwände werden abgedichtet. Bestimmte Botenstoffe wie zum Beispiel Histamin lösen eine Entzündungsreaktion aus. Die verletzte Stelle erwärmt sich und verfärbt sich rötlich. Das hat zur Folge, dass die Wände der feinsten Blutgefäße, der Kapillaren, durchlässig werden. So kann viel Blutplasma aus der Wunde fließen.
Mit diesem Wundsekret versucht unser Körper die Wunde zu reinigen (Exsudation). Es werden Bakterien, Zelltrümmer und sonstige Fremdkörper aus der Wunde geschwemmt, um eine Infektion zu verhindern. Die Exsudationsphase dauert bei akuten Wunden ca. 4 Tage. Bei chronischen Wunden stagniert die Heilung jedoch, sodass die Exsudationsphase in diesem Fall zeitlich weit ausgedehnt sein kann.
2) Reparaturphase (Granulation)
In der Granulationsphase baut der Körper neues Gewebe auf. An den Wundrändern sprießen Kapillaren und Bindegewebszellen, die in die Wunde hineinwachsen. Das Zellengeflecht ist an der Oberfläche tiefrot und feucht glänzend. Wegen der vielen Kapillaren sieht es ein wenig körnig aus und wird daher als Granulationsgewebe bezeichnet (lat. granulum = Körnchen).
Das Bindegewebe hat aber noch eine andere Fähigkeit. Es stellt Vorstufen von Kollagen her. Diese Eiweißfasern lassen die Wunde schrumpfen, indem die Wundränder zueinander gezogen werden.
3) Wiederaufbauphase (Epithelisierung)
Diese Phase der Regeneration kann selbst bei akuten Wunden bis zu 21 Tage dauern. Bei chronischen Wunden kann sich diese Phase aber sogar auf Monate bis Jahre ausdehnen. Im Prinzip wandelt der Körper in der Epithelisierungsphase das Granulationsgewebe in Narbengewebe um. Die Kollagenfasern vernetzen sich immer mehr und bilden ein stabiles Gerüst. Zu Anfang ist die Narbe rot und gut durchblutet. Erst allmählich verschwinden die Blutgefäße wieder.
Von den Wundrändern aus bedecken dann Epithelzellen (Zellen der äußeren Hautschicht) die Wundoberfläche, bis sie vollständig geschlossen ist (Epithelisierung). Je nach Schwere der Wunde bleiben oft Narben zurück. Das liegt auch daran, dass nur die oberen Hautschichten regenerieren, aber nicht die Lederhaut als unterste Hautschicht.
Chancen dauerhaft zu heilen hat eine chronische Wunde nur, wenn auch die Grunderkrankung behoben wird. Dies ist Ziel der Kausaltherapie.
Chronische Wunden können auf verschiedenen Ursachen beruhen. In den überwiegenden Fällen verantwortlich für chronische Wunden sind die folgenden Grunderkrankungen:
Chronische Wunden können noch weitere Ursachen haben, wie zum Beispiel Hautkrebs oder Metastasen anderer Tumore, Autoimmunerkrankungen wie die Vaskulitis (Entzündung kleinerer und mittlerer Gefäße) oder genetische Erkrankungen. Diese Krankheitsbilder treten allerdings vergleichsweise selten auf.
Unter der Lokaltherapie wird einerseits die optimale Wundversorgung entlang der Wundheilungsphasen verstanden. Ergänzend gehört hierzu aber auch die systemische Therapie, die alle Störfaktoren eindämmen soll, welche die Wundheilung beeinträchtigen können.
Die eigentliche Wundversorgung umfasst vor allem die Schritte:
Bei der systemischen Therapie werden alle individuellen Faktoren des Patienten berücksichtigt, die eine Heilung stören bzw. fördern können. Berücksichtigung sollten vor allem folgende Faktoren finden:
Bis Anfang der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts glaubte man, dass eine Wunde am besten heilt, wenn sie trocken bleibt und der Luft ausgesetzt ist. Der Vorteil einer trockenen Wundversorgung mit Pflastern und Kompressen: Sie enthalten keine feuchten Substanzen und sind daher in der Lage sehr viel Wundexsudat (Wundflüssigkeit) aufzunehmen. Daneben bietet sie Schutz gegen äußere Einflüsse und kann Träger von Arzneimitteln sein.
Die trockene Wundversorgung gibt es auch heute noch. Allerdings wird sie bei chronischen Wunden nur noch in ganz bestimmten Fällen eingesetzt, da sie zum völligen Austrocknen der Wunde führt. Hierdurch wird die Wunde in ihrer Heilung behindert. Ein Beispiel, bei dem auch bei chronischen Wunden noch die trockene Wundversorgung eingesetzt wird, ist der Einsatz von Mullkompressen, um trockene Nekrosen abzudecken. Doch ansonsten haben Studien und auch die klinische Erfahrung bewiesen, dass die „Trockenhaltung“ von tiefen und chronischen Wunden gravierende Nachteile mit sich bringt:
Heutzutage steht die feuchte oder auch feucht-warme Wundversorgung im Fokus. Ein feuchtes Wundklima fördert die Heilung am besten, weil unter anderem:
Moderne Wundauflagen unterstützen zusätzlich die einzelnen Heilungsphasen von Wunden und sind speziell auf sie abgestimmt:
Die Anzahl der Wundverbände und Wundauflagen ist mittlerweile auch für Experten ziemlich unübersichtlich geworden. Doch trotz der vielen Produkte haben moderne Wundauflagen zwei gemeinsame Merkmale:
Sie werden daher auch als aktive bzw. interaktive Wundauflagen bezeichnet, weil sie heilungsfördernde Substanzen enthalten wie Kollagen, Hämoglobin, Wachstumsfaktoren, Silber oder Chitosan. Ein weiterer Pluspunkt spricht für feuchte Wundverbände: Sie müssen in der Regel erst nach einigen Tagen gewechselt werden, sofern die Wunde nicht infiziert bzw. infektionsgefährdet ist.
Für jede der drei Wundheilungsphasen existieren unterschiedliche Wundauflagen, die sich nach Verbandsmaterial in folgende Gruppen einteilen lassen:
Wundmerkmale und Wundphase |
Geeignete Wundauflagen (Beispiel) |
Merkmale der Wundauflage |
Trockene Nekrosen |
Wenn keine pAVK vorliegt:
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Feuchte Nekrosen |
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Infizierte Wunden |
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Stark exsudierende Wunden |
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Tiefe Wunden |
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Riechende Wunden |
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Granulierende Wunden |
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Epithelisierende Wunden |
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In der Heilung stagnierende Wunden |
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Tanja Damm ist examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerin mit über 18 Jahren Berufserfahrung. Sie ist sowohl ICW Wundexpertin als auch Stoma-Expertin. Ihre umfassende Erfahrung im Homecare-Bereich erstreckt sich über elf Jahre, davon fünf Jahre bei PROLIFE. In ihrer derzeitigen Position als Regionalleiterin des Teams in Kassel sorgt sie dafür, dass ihre Patienten die bestmögliche Pflege und Unterstützung erhalten.